Um die Welt zu verstehen, müssen wir sie „im Lichte der Evolution“ betrachten, meint der Physiker und Philosoph Gerhard Vollmer. Zu dessen 80. Geburtstag schreiben das Hans-Albert-Institut, die Giordano-Bruno-Stiftung und die Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender einen Essay-Wettbewerb für Denkerinnen und Denker unter 30 Jahren aus. Einsendeschluss ist der 17. November 2023.

Die Ent­wick­lung der Wis­sen­schaft schrei­tet ähn­lich vor­an wie die bio­lo­gi­sche Evo­lu­ti­on: Theo­rien, die zu fal­schen Vor­her­sa­gen füh­ren, ver­schwin­den, wäh­rend erfolg­rei­che Theo­rien bis auf Wei­te­res Bestand haben. Dabei kön­nen sich nur sol­che Über­zeu­gun­gen bewäh­ren, die einer stren­gen Kri­tik aus­ge­setzt wer­den. Die­ses kri­tisch-ratio­na­le Ver­fah­ren hat der Mensch­heit zu gro­ßen Fort­schrit­ten ver­hol­fen: Wäh­rend unse­re Vor­fah­ren unter Ein­satz von Leib und Leben her­aus­fin­den muss­ten, ob zum Bei­spiel eine bestimm­te Pflan­ze gif­tig ist, kön­nen wir uns mit Bedacht an die Welt her­an­tas­ten und Theo­rien ster­ben las­sen – statt Menschen.

Es ist auch dem Phi­lo­so­phen und Phy­si­ker Ger­hard Voll­mer zu ver­dan­ken, dass die­se kri­tisch-ratio­na­le und evo­lu­tio­nä­re Her­an­ge­hens­wei­se in der Phi­lo­so­phie auf­ge­grif­fen wur­de. Sei­ne “Evo­lu­tio­nä­re Erkennt­nis­theo­rie” besagt u.a., dass unser Wis­sen nicht gerad­li­nig fort­schrei­tet, son­dern viel­mehr einem gewun­de­nen Pfad von Irrun­gen und Fehl­schlä­gen gleicht. Zudem hat Voll­mer die Evo­lu­ti­ons­theo­rie genutzt, um das Pro­jekt einer „Ein­heit des Wis­sens“ vor­an­zu­brin­gen, wodurch er zu einem der pro­fi­lier­tes­ten Brü­cken­bau­er zwi­schen den Natur- und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten wurde.

Anläss­lich des 80. Geburts­tag von HAI- und gbs-Bei­rat Ger­hard Voll­mer am 17. Novem­ber 2023 lädt das Hans-Albert-Insti­tut in Koope­ra­ti­on mit der Gior­da­no-Bru­no-Stif­tung und der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Huma­nis­ti­scher Stu­die­ren­der jun­ge Men­schen bis 30 Jah­re zur Teil­nah­me am Essay-Wett­be­werb „Wir irren uns empor“ ein. Dabei sind auch Bei­trä­ge von Schü­le­rin­nen und Schü­lern aus­drück­lich erwünscht. Ein­sen­de­schluss ist der 17. Novem­ber 2023. Inhalt­lich sol­len sich die Bei­trä­ge an den bei­den nach­fol­gend beschrie­be­nen Kate­go­rien orientieren.

KATEGORIE I

IM LICHTE
DER EVOLUTION

„Nichts ist bestän­di­ger als der Wan­del“, mein­te Charles Dar­win. Dies trifft nicht nur auf die Bio­lo­gie zu, son­dern auf den gesam­ten Kos­mos – und nicht zuletzt auch auf mensch­li­che Gesell­schaf­ten. Aus die­sem Grund sol­len in der ers­ten Kate­go­rie krea­ti­ve Bei­trä­ge prä­miert wer­den, die sich in 1.000 bis 3.000 Wör­tern an min­des­tens einer der drei fol­gen­den Fra­ge­stel­lun­gen orientieren:

Ein­heit der Wis­sen­schaf­ten – Ist Evo­lu­ti­on wirk­lich über­all?
Die Evo­lu­ti­ons­theo­rie ist ursprüng­lich als Idee for­mu­liert wor­den, die die Ent­wick­lung bio­lo­gi­scher Lebens­for­men beschreibt. Seit der zwei­ten Hälf­te des 18. Jahr­hun­derts hat sich die Vor­stel­lung der Evo­lu­ti­on jedoch zuneh­mend über die Gren­zen der Bio­lo­gie hin­aus aus­ge­dehnt: Evo­lu­tio­nä­re Ansät­ze fin­den sich inzwi­schen u.a. auch in der Psy­cho­lo­gie, Sozio­lo­gie, Sprach­wis­sen­schaft, Phi­lo­so­phie und sogar in der Kunst. Doch wie genau kön­nen ein­zel­ne Dis­zi­pli­nen vom Evo­lu­ti­ons­ge­dan­ken befruch­tet wer­den? Wie schlüs­sig ist eine uni­ver­sel­le Evo­lu­ti­ons­theo­rie? Und wie lässt sich die bestehen­de Kluft zwi­schen den Natur- und Kul­tur­wis­sen­schaf­ten schließen?

Dar­wins Erbe – Was heißt es, Men­schen­af­fe zu sein?
Aus evo­lu­ti­ons­bio­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve zählt der Mensch zu den Tro­cken­na­sen­pri­ma­ten. Nicht nur unse­re Ana­to­mie, son­dern auch unser Wahr­neh­men, Den­ken und Füh­len sind das Resul­tat eines Mil­lio­nen Jah­re andau­ern­den Evo­lu­ti­ons­pro­zes­ses. Was bedeu­tet dies für unser Selbst- und Welt­ver­ständ­nis? Wel­che alten Glau­bens­über­zeu­gun­gen gera­ten damit in Konflikt?

Evo­lu­ti­on und Fort­schritt – Kön­nen wir die Evo­lu­ti­on selbst in die Hand neh­men?
Die rasan­te Ent­wick­lung von Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie führt zu tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen in unse­rer Gesell­schaft. Wie kann uns eine evo­lu­tio­nä­re Denk­wei­se dabei hel­fen, ange­mes­se­ner auf die Her­aus­for­de­run­gen zu reagie­ren, die durch den per­ma­nen­ten Wan­del aus­ge­löst wer­den? Wel­che Per­spek­ti­ven eröff­net uns die Evo­lu­ti­ons­theo­rie auf Her­aus­for­de­run­gen wie den Kli­ma­wan­del oder unse­ren Umgang mit Gen­tech­nik und Künst­li­cher Intel­li­genz? Wie sähe eine art­ge­rech­te Zukunft für den Men­schen aus?

KATEGORIE II

FEHLBARKEIT
ALS CHANCE

Kaum etwas ist so schwer wie das Ein­ge­ständ­nis, dass man falsch gele­gen hat. Zuzu­ge­ben, dass die ande­re Sei­te im Recht gewe­sen ist, und auf Basis der Fak­ten die eige­ne Sicht­wei­se radi­kal zu revi­die­ren, wird oft als Zei­chen der Schwä­che und des Ver­sa­gens gedeu­tet. Doch nichts könn­te wei­ter von den Tat­sa­chen ent­fernt sein: Das Ein­ge­ständ­nis eines Feh­lers ist Aus­druck von intel­lek­tu­el­ler Red­lich­keit, die Aner­ken­nung ver­dient. Wer sei­ne Mei­nung ändert, sieht die Welt mit ande­ren Augen. Wir tun also gut dar­an, unse­re Irr­tü­mer nicht als Nie­der­la­ge, son­dern als Chan­ce zu begreifen.

Gesucht sind des­halb Bei­trä­ge von 1.000 bis 3.000 Wör­tern Län­ge, in denen die jewei­li­ge Per­son ihre Erfah­run­gen mit dem Ein­ge­ständ­nis, in einer für sie wich­ti­gen Fra­ge falsch gele­gen zu haben, schil­dert. Was war die ursprüng­lich ver­tre­te­ne Posi­ti­on? Wie hat sie sich geän­dert? Was war der Aus­lö­ser? Wie ist man selbst damit umge­gan­gen? Wie hat das sozia­le Umfeld dar­auf reagiert? Hat die Erfah­rung den eige­nen Mei­nungs­bil­dungs­pro­zess nach­hal­tig ver­än­dert? Sol­che und ver­gleich­ba­re Fra­gen soll­ten in die­ser Kate­go­rie behan­delt werden.

PREISE

Über die Prä­mie­rung ent­schei­det eine inter­dis­zi­pli­nä­re und hoch­ka­rä­ti­ge Jury. In bei­den Kate­go­rien ent­hal­ten die jeweils Erst­plat­zier­ten einen Geld­preis von 1.000 Euro, die Zweit­plat­zier­ten einen Preis von 500 Euro und die Dritt­plat­zier­ten einen Preis von 250 Euro. Eine beson­de­re Aner­ken­nung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern ist eben­falls vor­ge­se­hen. Dar­über hin­aus ist eine Ver­öf­fent­li­chung der bes­ten Bei­trä­ge in einem Sam­mel­band angedacht.

FAQ

Zum Ein­rei­chen der Essays steht ein Teil­nah­me­for­mu­lar zur Verfügung.

Wir bit­ten dar­um, das Essay als PDF-Datei mit dop­pel­tem Zei­len­ab­stand in Schrift­grö­ße 12, einer les­ba­ren Stan­dard­schrift­art (Cali­bri, Ari­al etc.) und dem Datei­na­men “[Nachname]_[Kategorie 1/2].pdf” über das Teil­nah­me­for­mu­lar ein­zu­rei­chen. Auf einem Deck­blatt sind Titel des Essays, Kate­go­rie und Name des Autors zu ver­mer­ken. Für den Fall einer Prä­mie­rung und mög­li­chen Ver­öf­fent­li­chung des Essays wird gege­be­nen­falls die Ursprungs­da­tei des Tex­tes (.docx, .tex etc.) benö­tigt, die­se soll­te ent­spre­chend auf­be­wahrt werden.

Nein, es ist aus­drück­lich erwünscht, dass Essays mit einem eige­nen, zum The­ma pas­sen­den Titel ver­se­hen werden.

Sämt­li­che Tex­te müs­sen in deut­scher Spra­che ein­ge­reicht wer­den. In ande­ren Spra­chen ver­fass­te Bei­trä­ge kön­nen lei­der nicht bewer­tet werden.

Auch wenn die indi­vi­du­el­le Teil­nah­me im Fokus des Wett­be­werbs steht, sind gemein­sa­me Bei­trä­ge meh­re­rer Urhe­ber zuläs­sig. Im Fal­le einer Prä­mie­rung muss das Preis­geld aller­dings ent­spre­chend auf­ge­teilt werden.

Ver­tre­ter der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft huma­nis­ti­scher Stu­die­ren­der und des Hans-Albert-Insti­tuts wer­den sämt­li­che Bei­trä­ge in Abstim­mung mit einem Kreis von Intel­lek­tu­el­len und Exper­ten im Hin­blick auf die Stich­hal­tig­keit der Argu­men­ta­ti­on, die Ori­gi­na­li­tät der The­se und die sti­lis­ti­sche Fines­se des Tex­tes als Gesamt­werk beurteilen.

Ein­sen­dun­gen in bei­den Kate­go­rien sind mög­lich. Auch meh­re­re sepa­ra­te Auf­sät­ze zu ver­schie­de­nen Fra­gen in Kate­go­rie I sind denk­bar. Für jedes neue Essay muss das For­mu­lar dabei geson­dert aus­ge­füllt werden.

Ja, theo­re­tisch kön­nen zwei oder gar alle drei Fra­gen the­ma­tisch kom­bi­niert wer­den. Es ist jedoch nicht unbe­dingt leich­ter, meh­re­re Fra­ge­stel­lun­gen in der ange­mes­se­nen Kür­ze kon­zi­se und ori­gi­nell zu einem grö­ße­ren Gan­zen zu ver­bin­den. Am Ende zählt der Gesamteindruck.

Frem­de Gedan­ken sind selbst­ver­ständ­lich den Regeln des Wis­sen­schafts­be­triebs (Zita­tio­nen und/oder Lite­ra­tur­ver­zeich­nis) ent­spre­chend kennt­lich zu machen. Gleich­wohl wird von den Ein­sen­dun­gen die Ent­wick­lung einer eigen­stän­di­gen und ori­gi­nel­len Argu­men­ta­ti­on erwar­tet, sodass wir von einer zu star­ken Abhän­gig­keit von publi­zier­ter Lite­ra­tur abra­ten. Quel­len­an­ga­ben wer­den natür­lich nicht bei der Wort­zäh­lung berücksichtigt.

RÜCKBLICK

HAI, gbs und BAG haben bereits vor drei Jah­ren, anläss­lich des 100. Geburts­tags des Wis­sen­schafts­theo­re­ti­kers Hans Albert, einen Essay-Wett­be­werb für Nach­wuchs­ta­len­te aus­ge­schrie­ben, der auf gro­ße Reso­nanz gesto­ßen ist. Damals ging es um die Fra­ge „Was ist ratio­nal?“. Die Preis­ver­lei­hung fand 2021 im Ger­ma­ni­schen Natio­nal­mu­se­um Nürn­berg statt. Der aus dem Wett­be­werb her­vor­ge­gan­ge­ne Sam­mel­band ist wei­ter­hin im Buch­han­del erhältlich.

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