Chefai kritisierte die Rolle der katholischen Kirche, die trotz Vertrauensverlust in der Bevölkerung weiterhin restriktive Moralvorstellungen durch den Betrieb eigener Kliniken und den Druck auf die Ärzteschaft durchsetze. Die Klage von Prof. Joachim Volz könnte hier einen weitreichenden rechtspolitischen Wendepunkt markieren. Denn bei dem Fall gehe es nur um die arbeitsrechtliche Frage, ob religiöse Partikularinteressen über die medizinische Praxis bestimmen dürfen. Mit Blick auf § 218 StGB müsse ebenso geklärt werden, ob es tatsächlich einen bedeutsamen Unterschied zwischen dem „rechtswidrigen“ beratenen und dem „rechtskonformen“ medizinischen Schwangerschaftsabbruch gibt. Dass es sich dabei um eine rechtsdogmatisch widersprüchliche Rechtskonstellation handele, sei offensichtlich. Denn mit der Verpflichtung des Staates, ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot sowohl ambulanter als auch stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen (BVerfGE 88, 203 [350]), laufe die Regelung letztlich darauf hinaus, dass der Staat „von Rechts wegen zum Unrecht verpflichtet“ sei.
In seiner Rede griff Chefai die zentralen Thesen der HAI-Stellungnahme „Schwangerschaftsabbruch im liberalen Rechtsstaat“ auf und erläuterte die Defizite der geltenden Rechtslage. § 218 StGB sei kein vernünftiger Kompromiss, so Chefai, sondern „eine unzulässige Kompromittierung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen“. Auch das kirchliche Arbeitsrecht gehöre grundsätzlich auf den Prüfstand, denn dieses sei unvereinbar mit der weltanschaulichen Neutralität des Staates, der Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte und dem Anspruch von Patientinnen auf eine medizinisch angemessene Behandlung.
Joachim Volz wird in seinem Verfahren (wie zuvor die Gießener Ärztin Kristina Hänel, deren Fall zur Abschaffung des § 219a StGB führte) vom „Institut für Weltanschauungsrecht“ (ifw) und der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) begleitet. Die juristischen Hintergründe des Falls werden auf der Website des „Instituts für Weltanschauungsrecht“ (ifw) erläutert.