HANS ALBERT

EIN JAHRHUNDERTDENKER

Der Phi­lo­soph und Sozio­lo­ge Hans Albert (*1921) zählt neben Max Weber und Karl Pop­per zählt er zu den bedeu­tends­ten Wis­sen­schafts­theo­re­ti­kern im deutsch­spra­chi­gen Raum. Als Vor­den­ker des Kri­ti­schen Ratio­na­lis­mus steht er für eine wis­sen­schaft­li­che Denk­wei­se, wel­che sich durch Klar­heit, Kri­tik­fä­hig­keit und Auf­ge­schlos­sen­heit gegen­über alter­na­ti­ven Denk­an­sät­zen aus­zeich­net. Es ist nicht zuletzt auch Albert zu ver­dan­ken, dass die Tra­di­ti­on des kri­ti­schen Den­kens nach dem zivi­li­sa­to­ri­schen Ein­bruch des Natio­nal­so­zia­lis­mus in Deutsch­land wie­der Fuß fas­sen konn­te. In sei­nem Stan­dard­werk „Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft“ prä­zi­sier­te er nicht nur die wis­sen­schaft­li­che Logik und Metho­dik, son­dern zeig­te auch, dass das Bemü­hen um kri­ti­sche Ratio­na­li­tät eine zen­tra­le ethi­sche Ver­pflich­tung ist, der wir uns alle­samt stel­len soll­ten. Die Metho­de der kri­ti­schen Prü­fung hält Albert näm­lich „nicht für ein abs­trak­tes Prin­zip ohne exis­ten­ti­el­le Bedeu­tung, son­dern für eine Lebensweise.“

Wis­sen­schaft­lern wird oft nach­ge­sagt, dass sie sich unver­ständ­lich und unnö­tig kom­pli­ziert aus­drü­cken. Von Hans Albert kann man das wahr­lich nicht behaup­ten. Ganz im Gegen­teil: Sein Den­ken zeich­net sich durch außer­or­dent­li­che Klar­heit und Red­lich­keit aus. Vor allem „gro­ße Wor­te ohne Sub­stanz“ sta­chel­ten sei­ne Lust an der Kri­tik immer wie­der an – so etwa bei einem Sym­po­si­um anläss­lich sei­nes 85. Geburts­tags in Hei­del­berg: Ein hoch deko­rier­ter Refe­rent hielt damals einen typi­schen geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Vor­trag mit aller­lei alt­grie­chi­schen und latei­ni­schen Zita­ten, exo­ti­schen Fremd­wör­tern und der­art kunst­voll ver­schach­tel­ten Neben­sät­zen, dass kaum einer der Zuhö­ren­den den Sinn des Gan­zen noch zu erfas­sen ver­moch­te. Als Hans Albert um ein kur­zes State­ment gebe­ten wur­de, husch­te ein schal­ki­ges Lächeln über sein Gesicht. Er erklär­te, dass er bedau­er­li­cher­wei­se nicht alles ver­stan­den habe, doch höchst beein­druckt sei von der enor­men Gelehr­sam­keit des Kol­le­gen. Nur eines hät­te er am Ende doch all­zu ger­ne gewusst: „Wel­ches Pro­blem woll­ten Sie mit Ihrem Vor­trag eigent­lich lösen?“

Pro­blem­lö­sung ist die Auf­ga­be, der Albert sein Leben gewid­met hat. Sein Werk zeugt von Sach­ver­stand, selbst­kri­ti­scher Refle­xi­on und intel­lek­tu­el­ler Bril­lanz, die weit über sei­ne eige­nen Fach­gren­zen wahr­ge­nom­men und geschätzt wer­den. Selbst­dar­stel­lung oder gar Arro­ganz sind Albert jedoch fremd. Er gilt als ein Freund des under­state­ments, der ger­ne mal von sich behaup­tet, ein­fach nur „ein paar Bücher“ ver­öf­fent­licht zu haben. Dabei war er nicht nur einer der maß­geb­li­chen Prot­ago­nis­ten des soge­nann­ten Posi­ti­vis­mus­streits, in dem er sich einen Schlag­ab­tausch mit Jür­gen Haber­mas lie­fer­te, son­dern gilt auch als der füh­ren­de Ver­tre­ter des Kri­ti­schen Ratio­na­lis­mus im deutsch­spra­chi­gen Raum.

Um Hans Albert und sein Lebens­werk zu wür­di­gen, ent­stand im Umfeld der Gior­da­no-Bru­no-Stif­tung die Idee, ein „Insti­tut zur För­de­rung des kri­tisch-ratio­na­len Den­kens in Poli­tik, Wirt­schaft und Gesell­schaft“ zu grün­den. Ende 2019 erteil­te Hans Albert der Stif­tung die Geneh­mi­gung, einen sol­chen Think Tank unter sei­nem Namen zu füh­ren, sodass das Hans-Albert-Insti­tut recht­zei­tig zu Alberts 99. Geburts­tag im Febru­ar 2020 der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt wer­den konnte.

Vita

  • Gebo­ren am 8. Febru­ar 1921 in Köln
  • 1939–1945: Arbeits­dienst und Sol­dat, ab 1942 Artil­le­rie­of­fi­zier; ab 1945 in ame­ri­ka­ni­scher Kriegsgefangenschaft
  • Ab 1946: Stu­di­um der Öko­no­mie an der Wirt­schafts- und Sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Köln
  • 1950: Abschluss des Kauf­mann-Diploms mit der Diplom­ar­beit “Poli­tik und Wirt­schaft als Gegen­stän­de der poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Theorie”
  • 1952: Pro­mo­ti­on zum Dr. rer. pol. mit der Dissertation“Rationalität und Exis­tenz. Poli­ti­sche Arith­me­tik und poli­ti­sche Anthropologie”
  • 1952–1958: Assis­tent am For­schungs­in­sti­tut für Sozi­al- und Ver­wal­tungs­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Köln
  • 1955: Erst­ma­li­ge Teil­nah­me an den Alp­ba­cher Hoc­schul­wo­chen, wo er u.a. Ernst Topitsch, Paul Feyer­abend und spä­ter Karl Pop­per kennenlernte
  • 1957: Habi­li­ta­ti­on für Sozi­al­po­li­tik an der Uni­ver­si­tät Köln; Hei­rat von Mar­ga­re­te von Pacher
  • 1961–1969: Maß­geb­li­cher Prot­ago­nist des sog. Posi­ti­vis­mus­streits, neben Pop­per, Ador­no und Habermas
  • Ab 1963: Lehr­stuhl für Sozio­lo­gie und Wis­sen­schafts­leh­re der dama­li­gen Wirt­schafts­hoch­schu­le, heu­te Uni­ver­si­tät Mannheim
  • 1968: Ver­öf­fent­li­chung des “Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft” – eines der
    gro­ßen Stan­dard­wer­ke der Erkennt­nis- und Wissenschaftstheorie
  • 1976: Ver­lei­hung des Vits-Preis
  • 1984: Ver­lei­hung des Arthur-Burckhard-Preis
  • 1994: Ehren­kreuz für Kunst und Wis­sen­schaft der Repu­blik Österreich
  • 1995: Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Linz
  • 1997: Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Athen
  • 2000: Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Kassel
  • 2007: Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Graz
  • 2007: Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Klagenfurt
  • 2008: Bun­des­ver­dienst­kreuz 1. Klasse