29. Janu­ar 2022

INTERVIEW MIT DR. DAVID BARDENS • Florian Chefai

“Oft kann man Ängste durch Fakten und Daten entkräften”

In Fol­ge sei­ner Ver­wick­lung in einen Rechts­streit gegen einen Impf­geg­ner wur­de Arzt und HAI-Bei­rat Dr. David Bar­dens zu einem der bekann­tes­ten deut­schen Kri­ti­ker der Impf­geg­ner-Bewe­gung. Im Inter­view gibt er Ant­wor­ten zur aktu­el­len Impfdebatte.

2014 sind Sie mit einem spek­ta­ku­lä­ren Gerichts­pro­zess in die Schlag­zei­len gera­ten. Ein Impf­geg­ner und Viren­leug­ner hat­te auf einer Inter­net­sei­te 100.000 Euro für den Nach­weis des Masern­vi­rus aus­ge­lobt. Sie haben ihm dar­auf­hin meh­re­re Stu­di­en vor­ge­legt, die die Exis­tenz des Virus bele­gen. Da die Aus­zah­lung des Preis­gel­des mehr­fach ver­wei­gert wur­de, haben Sie schließ­lich geklagt. Zu wel­chem Ergeb­nis kam das Verfahren?

Es han­del­te sich bei der Aus­lo­bung um eine Pro­vo­ka­ti­on. Der Impf­geg­ner behaup­te­te, kei­ner wür­de ver­su­chen sich das Preis­geld abzu­ho­len, da es gene­rell kei­ne krank­ma­chen­den Viren und Bak­te­ri­en gäbe. Ich ging dar­auf ein, woll­te mir die 100.000 Euro abho­len, um die­se an Masern­imp­fun­gen in Ent­wick­lungs­län­dern zu spen­den. Es kam zu einem lan­gen und inter­na­tio­nal beach­te­ten Gerichts­ver­fah­ren. In ers­ter Instanz wur­de mir das Preis­geld zuge­spro­chen, da ich laut einem Gut­ach­ten zwei­fels­frei die Exis­tenz des Masern­vi­rus bewie­sen hat­te. In zwei­ter Instanz wur­de ent­schie­den, dass der Impf­geg­ner sein Geld behal­ten durf­te. Er hat­te eine wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­ti­on gefor­dert, in der die Exis­tenz des Masern­vi­rus bewie­sen ist. Ich hat­te ihm sechs auf­ein­an­der auf­bau­en­de Publi­ka­tio­nen zuge­schickt, die nur in der Zusam­men­schau den Beweis erbrach­ten. Damit hat­te ich in der Sache recht, bin jedoch an einem Form­feh­ler gescheitert.


Wel­che Reak­tio­nen gab es auf das Ver­fah­ren? Was hat es für Sie per­sön­lich bedeu­tet? 

Das The­ma Imp­fen pola­ri­siert. Ich bekam vie­le posi­ti­ve Reak­tio­nen, bei­spiels­wei­se von Eltern, deren Kin­der durch eine Masern­er­kran­kung pfle­ge­be­dürf­tig gewor­den waren. Gleich­zei­tig wur­de ich von der Impf­geg­ner­sei­te scharf ange­grif­fen und bedroht. Es wur­den bizar­re Behaup­tun­gen über mei­ne Per­son auf­ge­stellt und mir wur­de Gewalt ange­droht. Das hat mich der­art geprägt, dass ich auch heu­te noch Sicher­heits­vor­keh­run­gen tref­fe, um mich und mein Umfeld zu schützen.

Soll­te man radi­ka­len Impf­geg­nern über­haupt eine Platt­form in der Öffent­lich­keit bie­ten oder soll­te man sol­che Absur­di­tä­ten lie­ber igno­rie­ren?

Es kommt dar­auf an. Prin­zi­pi­ell ist jede Mei­nung es wert, gehört zu wer­den. Es gibt rela­tiv weni­ge wirk­lich ”radi­ka­le” Impf­geg­ner, die kei­nen Argu­men­ten zugäng­lich sind. Dahin­ge­gen gibt es vie­le Men­schen, die skep­tisch gegen­über Imp­fun­gen sind, oft aus Angst vor ernst­haf­ten Neben­wir­kun­gen. Sol­che Ängs­te soll­te man ernst neh­men und den Dia­log suchen. Oft kann man die Ängs­te durch Fak­ten und Daten ent­kräf­ten. Dahin­ge­gen soll­te man mei­ner Mei­nung nach über­den­ken, ob man Impf­geg­nern in Talk­shows die glei­che Rede­zeit zuge­steht wie Fachleuten.

Sie sind der­zeit als All­ge­mein­me­di­zi­ner in Schwe­den tätig. Wel­che Sor­gen trei­ben Men­schen der­zeit bezüg­lich der Imp­fung gegen Covid-19 um?

Ich habe den Ein­druck, dass die Schwe­den weni­ger Vor­be­hal­te gegen Imp­fun­gen haben als die Deut­schen. Berech­tig­ter­wei­se haben die Leu­te hier viel mehr Angst und Respekt vor der Erkran­kung, als vor der Impfung.

Schwe­den ver­folg­te im Zuge der Pan­de­mie lan­ge Zeit eine ver­hält­nis­mä­ßig locke­re Coro­na­stra­te­gie. Vor kur­zem tra­ten jedoch auch dort här­te­re Maß­nah­men wie Kon­takt­be­schrän­kun­gen und eine 1G-Rege­lung bei Groß­ver­an­stal­tun­gen in Kraft. Wie wer­den die­se in der Öffent­lich­keit wahr­ge­nom­men und diskutiert?

Die schwe­di­sche Stra­te­gie in der Pan­de­mie ist nicht nur aus­ge­fal­len, son­dern auch sehr zwei­fel­haft. Am Anfang der Pan­de­mie neig­ten die Behör­den zur Ver­harm­lo­sung und es dau­er­te lan­ge, bis über­haupt Maß­nah­men ergrif­fen wur­den. Vie­le dach­ten, es sei wich­tig, dass sich die Infek­ti­on unter jun­gen Men­schen schnell ver­brei­tet, um eine Art Her­denim­mu­ni­tät zu errei­chen. Die Behör­den behaup­te­ten unter ande­rem, dass das Tra­gen von Mund-Nasen-Schutz kei­nen Effekt habe, dass man vor Allem auf eine gute Hand­hy­gie­ne ach­ten soll­te und dass es unmög­lich sei, sich an sym­ptom­frei­en Per­so­nen anzu­ste­cken. Das führ­te zu einer mas­si­ven Wel­le mit hohen Todes­zah­len. Bei­spiels­wei­se starb inner­halb von zwei Wochen etwa die Hälf­te der Ein­woh­ner eines frü­her von mir betreu­ten Senio­ren­heims. Bei den meis­ten Maß­nah­men setzt man hier auch heu­te noch auf Frei­wil­lig­keit und hofft auf die Ver­nunft der Bevöl­ke­rung. Das führt zwar dazu, dass wir hier kei­ne aus­ge­brei­te­te Quer­den­ker­be­we­gung haben, hat jedoch den Nach­teil, dass wir hier mehr Todes­fäl­le auf die Ein­woh­ner­zahl gerech­net haben als in Deutsch­land – und das, obwohl die Bevöl­ke­rungs­dich­te etwa zehn mal nied­ri­ger ist. Man soll­te Schwe­den also nicht zu sehr idealisieren.

Wie ste­hen Sie als Medi­zi­ner zur Fra­ge nach einer Impf­pflicht? 

Das ist eine schwie­ri­ge Fra­ge. Einen Impf­zwang, in dem Sin­ne, dass man jeman­dem etwas gegen den eige­nen Wil­len inji­ziert, kann und wird es nicht geben. Das ist auch gut so. Das Sank­tio­nie­ren von Unge­impf­ten muss dahin­ge­gen natur­ge­mäß für jede Erkran­kung ein­zeln abge­wo­gen wer­den. Eine Impf­pflicht wur­de in Deutsch­land mit dem Masern­schutz­ge­setz bereits ver­wirk­licht. Im Fal­le der Masern hal­te ich dies für ange­mes­sen, da es sich bei den Masern um eine extrem anste­cken­de und gefähr­li­che Erkran­kung han­delt, gegen die es eine effek­ti­ve und neben­wir­kungs­ar­me Imp­fung gibt.

Zu COVID-19: Die der­zei­ti­ge Pan­de­mie domi­niert der­zeit unser Leben und ist mit gro­ßen Ein­schrän­kun­gen für alle ver­bun­den. Des­we­gen ist es voll­kom­men gerecht­fer­tigt, Unge­impf­te bei­spiels­wei­se von Ver­an­stal­tun­gen oder bestimm­ten Beru­fen aus­zu­schlie­ßen, wenn dies nötig ist, um Scha­den von ande­ren Mit­men­schen abzu­wen­den. Ich hal­te es mit dem Zitat, das fälsch­li­cher­wei­se oft Imma­nu­el Kant unter­ge­ju­belt wird: ”Die Frei­heit des Ein­zel­nen endet dort, wo die Frei­heit des Ande­ren beginnt.”

Wel­che Hin­der­nis­se bestehen der­zeit aus Ihrer Sicht, um das Ver­trau­en in die evi­denz­ba­sier­te Medi­zin in der Öffent­lich­keit zu stär­ken? Wel­che Rol­le spie­len Anbie­ter alter­na­ti­ver Heilverfahren?

”Alter­na­ti­ve Heil­ver­fah­ren” oder ”Alter­na­tiv­me­di­zin” gibt es in die­sem Sin­ne nicht. Es gibt evi­denz­ba­sier­te Ver­fah­ren, die erwie­se­ner­ma­ßen Erkran­kun­gen hei­len oder lin­dern und es gibt Ver­fah­ren, deren Wirk­sam­keit nicht erwie­sen ist. In Deutsch­land gibt es eine merk­wür­di­ge Tra­di­ti­on, Letz­te­ren einen beson­de­ren gesetz­li­chen Schutz und eine staat­li­che För­de­rung zukom­men zu las­sen. Ein Bei­spiel ist die Homöo­pa­thie. Hier­bei han­delt es sich um eine absur­de Pseu­do­wis­sen­schaft, deren Wirk­sam­keit trotz unzäh­li­ger Stu­di­en nicht erwie­sen wer­den konn­te und bei Kennt­nis der Natur­ge­set­ze nicht erwie­sen wer­den kann. Obwohl hoch­po­ten­zier­te Homöo­pa­thi­ka kei­ner­lei Wirk­stoff ent­hal­ten, wer­den sie in Deutsch­land als Arz­nei­mit­tel klas­si­fi­ziert, sind apo­the­ken­pflich­tig und wer­den teil­wei­se von Kran­ken­kas­sen bezahlt. Ein ande­res Bei­spiel ist, dass Heil­prak­ti­ker ohne gesetz­lich gere­gel­te medi­zi­ni­sche Aus­bil­dung unter Ande­rem Kin­der und psy­chi­sche Erkran­kun­gen behan­deln dür­fen. So lan­ge man von staat­li­cher Sei­te die Gren­zen zwi­schen Quack­sal­be­rei und evi­denz­ba­sier­ter Medi­zin ver­wischt, wird es Pati­en­ten schwer fal­len, die­se von­ein­an­der zu unterscheiden.

Dr. David Bar­dens, absol­vier­te nach sei­nem Zivil­dienst eine Aus­bil­dung zum Ret­tungs­as­sis­ten­ten beim Arbei­ter-Sama­ri­ter-Bund in Mainz. Anschlie­ßend stu­dier­te er Human­me­di­zin in Hom­burg, wo er 2014 auch pro­mo­vier­te. Wäh­rend des Stu­di­ums arbei­te­te er unter ande­rem als Leh­rer an einer Heb­am­men­schu­le und als Per­fu­sio­nist bei der Deut­schen Stif­tung Organ­trans­plan­ta­ti­on. Gegen­wär­tig prak­ti­ziert er als All­ge­mein­me­di­zi­ner in Schweden.

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